UEFA EURO 2020: Remote-Berichterstattung neu gedacht

MoovIT entwickelt neue Remote-Workflow-Konzepte für die Postproduktion bei EURO 2020.

MoovIT ist ein langjähriger Partner der UEFA für die technische Planung von Workflows im Rahmen der Berichterstattung anlässlich der Fußball Europameisterschaften (EURO). Während der EURO 2020 war MoovIT als Host Broadcast Supplier für die UEFA im Einsatz und hat zusammen mit den Partnerunternehmen zahlreiche Remote-Workflow-Tools neu entwickelt und in die Prozesse integriert. Dafür lieferte MoovIT die Hard- und Software für die Postproduktions-Infrastruktur im International Broadcast Center (IBC) in Amsterdam, für die Remote-Infrastruktur bei IMG in London und für die mobilen UEFA ENG-Teams an den Spielstätten. Jan Fröhling, Projektmanager bei MoovIT war während des gesamten Turniers mit seinen Technik-Kollegen im IBC in Amsterdam vor Ort. Ein weiteres MoovIT-Team leistete währenddessen den Support für die Postproduktion bei IMG in London.

Herausforderung Remote-Setup

Die UEFA entschied sich, die Broadcast-Kerntechnologie für die Berichterstattung rund um die EURO 2020 im IBC (International Broadcast Centre) in Amsterdam zu betreiben und die Postproduktion, Qualitätskontrolle und Schnittsysteme zu UEFAs Langzeit-Partner IMG in Stockley Park nahe London zu transferieren. Im Auftrag der UEFA lieferte MoovIT Thin-Client Systeme nach England inklusive Monitore, Audioequipment und Wacom-Tablets mit Fernzugriff auf die „Craftedits“ im IBC. Dadurch konnte die ursprünglich geplante Netzwerk-Infrastruktur mit allen Tools und Integrationen beibehalten werden. Die wichtigste Verbindung für das Remote-Setup war eine über die EBU bereitgestellte Glasfaser-Standleitung, die eine statische Verbindung zwischen Amsterdam und London für den Transfer der Bildinhalte in Echtzeit gewährleistete. Bei dem kanadischen Anbieter Teradici wurden die Projektplaner fündig für die erforderliche Softwareunterstützung. Teradici lieferte das zentrale Tool mit PC over IP für den Zugriff auf die Rechner. Über das Teradici-Tool wurde der sich in Amsterdam befindende Desktop nach England übertragen und so dargestellt, dass die User das Gefühl hatten, am Rechner in Amsterdam zu sitzen. Darüber hinaus wurden Audiosignale und -monitoring, Voice-over und Peripheriegeräte wie Wacom-Tablets durch Teradici verbunden.

Herausforderung Daten- und Projektmanagement

Herzstück des technischen UEFA Setups waren die EVS-Systeme mit zentralem Speicher, EVS IP-Director Datenbank für den Videocontent sowie EVS Automation mit XSquare für die Orchestrierung. Hieran wurde MoovIT’s Projektmanagementsoftware Helmut4 „angedockt“, um die fertigen Beiträge entsprechend vordefinierten Kriterien zu managen. Dabei ist das komplette Helmut4-Toolset mit allen Komponenten - inklusive Projektmanagement, Datenverwaltung, -sortierung und Übergabe der Files - zum Einsatz gekommen. Das bedeutete im Ergebnis die Automatisierung der gesamten Projektverwaltung inklusive Ingest/Outgest. Helmut4 war das verbindende Element, das in alle Abläufe eingriff, diese automatisierte und damit die gesamte Postproduktion steuerte und absicherte. Das zentrale Schnittprogramm war Adobe Premiere Pro. In Premiere ist ein Panel von EVS, IP Link, integriert worden. IP Link hat auf die IP-Director Datenbank zugegriffen, die den Content listet und suchbar gemacht hat. Über dieses Panel konnte sich der Editor den Content aus dem MAM in sein Projekt importieren. Im Rahmen des automatisierten Workflows wurden die Übergabestellen für die weitere Bearbeitung des Contents automatisch angesprochen. Helmut4 war mit seinen verschiedenen Komponenten in diesem komplexen Setting die zentrale Steuereinheit für das Videoprojektmanagement. Jan Fröhling betont, dass mit Helmut4 kein „customized product“, sondern eine Standardlösung zum Einsatz gekommen ist, die sich unter den vollkommen neuen Anforderungen der EURO 2020 genauso bewährt hat wie in zahlreichen Großprojekten zuvor.

Herausforderung Signalübertragung im Remote-Betrieb

Das Videosignal, das in Amsterdam auf dem Rechner in Premiere entstand, geht normalerweise über Kabel in den Monitor des Editors zur Sichtkontrolle. Im Remote-Setting funktionierte das aufgrund der Distanzen so nicht und man brauchte einen neuen Ansatz. Die Lösung bestand in einem NDI Plug-in in Premiere von der Firma NewTek, um die Videosignale von Amsterdam nach London durch den Netzwerktunnel zu übertragen und dort im Abnahmemonitor zur Verfügung zu stellen. Das Plug-in erzeugte ein NDI Signal, das durch das Netzwerk nach England übertragen wurde. Auf der Gegenseite befanden sich Decoder von Kiloview, die den NDIDatenstrom aus dem Netzwerk entgegennahmen und in ein klassisches Videosignal wandelten. Das Monitoring war eine grundlegende Voraussetzung für den Remote-Betrieb.

Herausforderung ENG Datencontribution

Elf Stadien, zahlreiche Trainingsorte, die gastgebenden europäischen Städte und Länder sowie die unterstützenden Sponsoren waren in die Live- und mobile Berichterstattung während des Turniers eingebunden. Dafür wurden von MoovIT ca. 60 Rucksack-Kits gepackt, um die UEFA ENG-Teams in allen Übertagungsländern mit der erforderlichen Technik auszustatten. Jedes Team bestehend aus RedakteurIn, Kamerafrau/mann und Mediamanager erhielt mit dem Rucksack ein Macbook Pro mit Peripherie, Speichermedien, Adapterkits für Strom, Festplatten etc. Auf allen Rechnern war mit Premiere Pro und Helmut die für die Berichterstattung erforderliche Software bereits vorinstalliert. So konnten die Teams Rough Cuts oder auch Edits erstellen, die mit zentralen Metadatenprofilen und gegebenenfalls beschreibenden Zusatzinfos versehen von den Laptops an das IBC übertragen wurden. Es standen drei mögliche Übertragungswege zur Auswahl: 1. über Aspera als Plug-in im Browser, 2. über die EBU-Box, die als Übertragungssystem in den Stadien und Training-grounds verfügbar und mit dem Server in Amsterdam verbunden war und 3. durch die mobile Übertragung mit Hilfe von Aviwest-Emittern, einer handlichen Einheit mit 8 LTE-Modems, um Video über das mobile Datennetz zu transferieren. Damit wurde die maximal mögliche Übertragungsflexibilität sichergestellt, egal in welchem Umfeld und unter welchen Bedingungen die Reporter arbeiteten.

Herausforderung Mobile Pressekonferenzen

Es ist üblich, dass Teams und Kader am Vortag ihres Spiels über aktuelle Themen und Vorbereitungen in Pressekonferenzen berichten. Sie finden normalerweise mit vielen Journalisten an festen Standorten in der Nähe der Stadien statt. Unter COVID-19-Bedingungen war dieses Konzept in den verschiedenen Ländern nicht tragfähig. Deshalb brauchte man eine mobile Lösung für Flexibilität und Professionalität bei der Organisation der Pressekonferenzen. Die Antwort fanden die Planer in der Zusammenarbeit mit Aviwest. Mithilfe der Aviwest Pro 380 wurden die Videosignale als H265 10Bit codiert und mobil und/oder über stationären Internetzugang an das IBC transferiert. Ob stationäres Netzwerkkabel, WLAN oder mobile 4G Daten – das System konnte alle drei Netzwerke simultan nutzen und die Bandbreiten für die Übertragung der Videofeeds bündeln. Die Livesignale landeten auf dem Empfangsserver im IBC und wurden dort weiterverarbeitet. Das gesamte Setup wurde von der UEFA betrieben, von Aviwest supportet und vom MoovIT-Team geplant, evaluiert und integriert. Deshalb brauchte man eine mobile Lösung für Flexibilität und Professionalität bei der Organisation der Pressekonferenzen.

Herausforderung automatisierter Green Screen

Ein beliebtes Element in der Berichterstattung bei Fußballspielen ist die Vorstellung der Spieler mit aktuellen Bildern und Informationen. Während der EUR 2020 haben die MoovITSoftwareentwickler mit Hilfe der Engine- Integration des Dienstes Uncreen (Unscreen.com) eine Anwendung für die automatisierte Entfernung von Videohintergrund zur Verfügung gestellt. Das Rohmaterial wurde im IBC in After Effects-Templates hinterlegt und via API an die Unscreen Engine übergeben. Die KI-basierte Engine analysierte das Video daraufhin, wo sich die Person im Bildinhalt befindet, (anstatt eine pixelbasierte Maske zu erzeugen wie bisher üblich) und stellte sie anhand der errechneten Daten frei. Anschließend wurde das Ergebnis zurück in das Template Projekt integriert, wo die Skalierung und Positionierung des Bildinhalts vorgenommen werden konnte, bevor es zur Weiterverarbeitung übergeben wurde.

Herausforderung Review and Approval

Die Editoren in London kommunizierten für die inhaltliche Prüfung der Clips weitestgehend automatisiert via MoovIT-Tool RevApp in der MoovIT-Cloud. Da RevApp als Cloud-Lösung über Helmut4 komplett in die Postproduktionsstruktur integriert war, konnten die Clips direkt aus der Premiere-Timeline dem jeweiligen Bearbeiter zum Review zugewiesen werden. Per Link wurden die Bearbeiter informiert und konnten standort- und plattformunabhängig reagieren.

Die Projektpartner